====== Münchhausen-Trilemma ====== Als **Münchhausen-Trilemma** wird ein von [[Hans Albert]] formuliertes philosophisches Problem bezeichnet. Es geht um die Frage, ob es möglich sei, einen „letzten Grund“ (im Sinne einer letzten Ursache bzw. eines unhintergehbaren ersten Anfangs) zu finden bzw. wissenschaftlich zu beweisen. Hans Albert behauptet, dass jegliche Versuche für eine Letztbegründung scheitern müssen bzw. ins Münchhausen-Trilemma führen. Das Münchhausen-Trilemma bedeutet, dass jeder Versuch des Beweises eines letzten Grundes zu einem von drei möglichen Ergebnissen führt: - zu einem [[Zirkelschluss]], (die [[Schlussfolgerung|Conclusio]] soll die [[Prämisse]] beweisen, benötigt diese aber, um die Conclusio zu formulieren) - zu einem [[Infiniter Regress|infiniten Regress]] (es wird immer wieder eine neue Hypothese über die Begründbarkeit eines letzten Grundes formuliert, die sich jedoch wiederum als unzureichend erweist oder wieder in einen Zirkel führt) - zum Abbruch des Verfahrens Abgesehen davon, dass diese Behauptung in vielerlei Hinsicht falsch verstanden wurde, löst sie bis auf den heutigen Tag philosophische Diskussionen aus, denn die Vertreter der biblischen bzw. theologischen Schulen benötigen einen letzten Grund, eine letzte Ursache, in welcher sie letztlich [[Gott]] sehen. Die Bezeichnung //Münchhausen-Trilemma// ist eine ironische Anlehnung an die legendäre literarische Figur [[Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen|Baron Münchhausen]], der behauptete, sich an den eigenen Haaren aus einem Sumpf gezogen zu haben. Eine philosophische Verwendung des Bildes findet sich in [[Friedrich Nietzsche|Nietzsches]] //[[Jenseits von Gut und Böse (Nietzsche)|Jenseits von Gut und Böse]]//, der es als „eine Art logischer Nothzucht und Unnatur“ bezeichnet, wenn jemand versucht, „mit einer mehr als Münchhausenschen Verwegenheit, sich selbst aus dem Sumpf des Nichts an den Haaren ins Dasein zu ziehn.“((Friedrich Nietzsche: //Jenseits von Gut und Böse.// [[Nietzsche-Ausgabe|Kritische Studienausgabe]], Band 5, Nr. 21, S. 35 ([[http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Jenseits+von+Gut+und+B%C3%B6se/Erstes+Hauptst%C3%BCck.+Von+den+Vorurteilen+der+Philosophen/21-23|online]]).)) Das Münchhausen-Trilemma enthält drei der fünf [[Skeptische Tropen|Tropen]] des [[Agrippa (Philosoph)|Agrippa]] und wird deshalb auch mit dem //Agrippa-Trilemma// verglichen. ===== Die Trilemma-Situation ===== {{ :eristokratie:nokixel:muenchhausen_herrfurth_7_500x789.jpg?200 |}} Baron Münchhausen zieht sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf Angenommen, Satz //p// soll begründet werden. Drei Wege scheinen hierfür möglich: ? [[Infiniter Regress]] : Jede Aussage, die //p// begründet, muss wiederum begründet werden. Dies führt in einen „unendlichen Regress“. ? [[Zirkelschluss|Zirkel]] : Die Begründung verläuft im Kreis. Eine Aussage, die //p// begründen soll, ist identisch mit //p// oder kommt in der Begründungskette, die //p// begründen soll, bereits vor. (Beispiel nach einer Komödie [[Molière]]s: //Warum ist das Mädchen stumm?// – //Das Mädchen ist stumm, weil es sein Sprachvermögen verloren hat!// – //Warum hat es sein Sprachvermögen verloren?// – //Auf Grund des Unvermögens, die Sprache zu beherrschen!//) ? Abbruch des Verfahrens : Infiniter Regress und Zirkelschluss können sich durchaus verbinden oder endlos wiederholen, welches letztlich zum Abbruch des Begründungsverfahrens führt. Zusätzlich, und gleichzeitig zu verstehen als Motivation für die Formulierung dieses Münchhausen-Trilemmas, fügt Albert (sinngemäß) hinzu: „Wenn es eine Letztbegründung gäbe (was glücklicherweise schlecht möglich ist), würde diese unweigerlich zu einem [[Dogma]] führen.“ Da es keine unfehlbaren Quellen der Erkenntnis gebe, sondern allenfalls Quellen, deren Unfehlbarkeit dogmatisch behauptet wird, gibt es gemäß dem Münchhausen-Trilemma keinen privilegierten Zugang zur [[Wahrheit]].((„Es gibt weder eine Problemlösung, noch eine für die Lösung bestimmter Probleme zuständige Instanz, die notwendigerweise von vornherein der Kritik entzogen sein müsste. Man darf sogar annehmen, dass [[Autorität]]en, für die eine solche [[Kritikimmunität]] beansprucht wird, nicht selten deshalb auf diese Weise ausgezeichnet werden, weil ihre Problemlösungen wenig Aussicht haben würden, einer sonst möglichen Kritik standzuhalten. Je stärker ein solcher Anspruch betont wird, um so eher scheint der Verdacht gerechtfertigt zu sein, dass hinter diesem Anspruch die Angst vor der Aufdeckung von [[Irrtum|Irrtümern]], das heißt also: die Angst vor der Wahrheit, steht.“ (Hans Albert: //Traktat über kritische Vernunft.// 1968).)) ===== Zur Problemgeschichte ===== Dass diese drei Alternativen bei Begründungssituationen vorliegen, findet sich bereits in der antiken griechischen Philosophie, zuerst in den //[[Analytica posteriora]]// des [[Aristoteles]] (72b5 ff. nach der [[Bekker-Zählung]]). In der [[Pyrrhonische Skepsis|pyrrhonischen Skepsis]] spielen sie eine wichtige Rolle.(([[Sextus Empiricus]]: //Grundriss der pyrrhonischen Skepsis// I, S. 164 ff.)) Angeblich wurden diese Argumentationsfiguren von den Skeptikern um [[Agrippa (Philosoph)|Agrippa]] (erstes Jahrhundert n. Chr.) verwendet.(([[Diogenes Laertios]] IX, S. 88.)) [[Praktische Philosophie|Eine Philosophie, die sich als praktisch versteht]], setzt die Begründung hier bisweilen aus und stellt stattdessen einen Entschluss an den Anfang des [[System]]s. So betont beispielsweise [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] in § 1 seines //Systems der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre//, dass der Anfang nicht begründet, sondern gegründet werden müsse: „nicht zufolge einer theoretischen Einsicht, sondern zufolge eines praktischen Interesses; ich will selbständig sein, darum halte ich mich dafür“. In der modernen Philosophie hat dann [[Jakob Friedrich Fries]] die [[Satz vom zureichenden Grund|Forderung, alles zu beweisen]], als widerspruchsvoll abgewiesen, weil sie zu einem infiniten Regress führe, und infolgedessen [[Kant]]s Methode (womit die Kant’sche Behauptung der Möglichkeit [[Synthetisches Urteil a priori|synthetischer Urteile]] [[a priori]] gemeint ist) ablehne.((Jakob Friedrich Fries: //Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft.// 1807, 2. Auflage, 3 Bde. 1828–31, Nachdruck Berlin 1955, Band 1, §§ 70–73.)) Der Lösungsversuch der Fries'schen Lehre, dass [[Wahrnehmung]]serlebnisse Sätze begründen könnten, weil deren [[Evidenz]] unmittelbar klar sei, wurde insbesondere von [[Karl Popper]], der diese Position als „Psychologismus“ bezeichnete, in der //[[Logik der Forschung]]// detailliert kritisiert. Gleichzeitig hat Popper damit gezeigt, dass empirische Naturwissenschaft nie einen letzten Grund wird liefern können. Eine weitere Ausarbeitung des Themas findet sich in der Erkenntnistheorie, die [[Georg Simmel]] in seiner //[[Philosophie des Geldes]]// (1900) ausgeführt hat.((Georg Simmel: //Philosophie des Geldes// [1900], zweite Auflage 1907, Nachdruck in der Georg-Simmel-Gesamtausgabe Band 6, Suhrkamp, Frankfurt 1989, Kapitel 1, Abschnitt III, S. 93–121.)) Simmel ging von der [[Ontologie|ontologischen]] [[Kategorie (Philosophie)|Kategorie]] der [[Wechselwirkung]] aus und verband diese mit einer Theorie der [[Relativität]] alles [[Sein|Seienden]]. „Daß die scheinbare Ruhe der Erde nicht nur eine komplizierte Bewegung ist, sondern daß ihre ganze Stellung im Weltall nur durch ein Wechselverhältnis zu anderen [[Materie (Philosophie)|Materiemassen]] besteht – das ist ein sehr einfacher, aber sehr eingreifender Fall des Übergangs von der Festigkeit und Absolutheit der Weltinhalte zu ihrer Auflösung in Bewegungen und [[Relation]]en.“((Georg Simmel: //Philosophie des Geldes//, Suhrkamp, Frankfurt 1989, S. 95.)) Entsprechend hat [[Erkenntnis]] für Simmel keinen absoluten Ausgangspunkt, sondern muss sich ihren Bezug in [[Axiom]]en und Festlegungen suchen. :„Daß unser Bild der Welt auf diese Weise »in der Luft schwebt«, ist nur in der Ordnung, da ja unsere Welt selbst es tut. Das ist keine zufällige [[Koinzidenz]] der Worte, sondern Hinweisung auf den grundlegenden Zusammenhang. Die unserem Geiste eigene [[Notwendigkeit]], die [[Wahrheit]] durch [[Beweis (Logik)|Beweise]] zu erkennen, verlegt ihre Erkennbarkeit entweder ins Unendliche oder biegt sie zu einem Kreise um, indem ein Satz nur in einem Verhältnis zu einem anderen, dieser andere aber schließlich nur im Verhältnis zu diesem ersten wahr ist. Das Ganze der Erkenntnis wäre dann so wenig »wahr«, wie das Ganze der Materie schwer ist; nur im Verhältnis der Teile untereinander gälten die Eigenschaften, die man von dem Ganzen nicht ohne Widerspruch aussagen kann.“((Georg Simmel: Philosophie des Geldes, Suhrkamp, Frankfurt 1989, S. 100)) Eine weitere Darstellung findet sich bei [[Paul Natorp]].((Paul Natorp: //Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften.// Leipzig/Berlin 1910, S. 31–32.)) Im Anschluss an diese Darstellungen suchte [[Leonard Nelson]] zu beweisen, dass Erkenntnistheorie überhaupt unmöglich sei.((Karl R. Popper: //Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie.// Zweite, verbesserte Auflage, Tübingen 1994, S. 106 ff.)) Allerdings gehört die ständige Erweiterung des Begründungsraumes zum Wesen der Wissenschaft: Infinite Regresse sind durchaus mit erkenntnistheoretischen wie auch naturwissenschaftlichen Wissenserweiterungen verbunden, insbesondere wenn sie in die Zukunft gerichtet sind. Jedes Aufstellen einer neuen Hypothese erweitert den infiniten Regress und führt damit gewissermaßen auch zu Erkenntnisgewinn; denn auch eine sich letztlich als //falsch//, //unwahr// oder //vorerst nicht überprüfbar// erweisende Hypothese stellt eine mögliche Erkenntnis dar. Der von Popper begründete [[Kritischer Rationalismus|Kritische Rationalismus]] argumentiert mit dem Trilemma gegen das herkömmliche bzw. „klassische“ Vernunftverständnis, die [[Rechtfertigungsstrategie]], die darauf abzielt, dass jeder Versuch einer unanzweifelbar gültigen Begründung einer Aussage, sei dieser [[Deduktion|deduktiv]], [[Induktion (Denken)|induktiv]], [[Kausalität|kausal]], [[transzendental]] oder auf jedwede andere Weise geführt, daran scheitert, dass eine sichere Begründung wiederum sicher begründet werden muss. Der Kritische Rationalismus wählt dabei einen Weg außerhalb des von Begründungsdenken geprägten Dogmatismus und Relativismus, indem er an der Existenz einer absoluten Wahrheit festhält (Absolutismus), aber von der Fehlbarkeit des Menschen und daher dem Vermutungscharakter des Wissens ausgeht ([[Fallibilismus]]), Argumenten stets nur eine negative Wirkung zuspricht ([[Negativismus (Kritischer Rationalismus)|Negativismus]]) und die Unmöglichkeit der begründenden Erkenntnistheorie behauptet (Erkenntnis[[skeptizismus]]). Nicht zuletzt steckt hinter der Debatte folgende wesentliche Motivation: Kann und darf es ein irgendwie geartetes [[Dogma]] geben? Damit verbunden ist natürlich die Frage nach einer letzten, unaufhörlich sich im Recht befindlichen [[Autorität]] oder Instanz, oder, abgeschwächt, einer Instanz, die zwar manchmal falschliegt, der man sich aber dennoch aus anderen Erwägungen heraus grundsätzlich immer anschließen sollte. ===== Kritik ===== [[Nicholas Rescher]] hat auf die schon bei [[Thomas von Aquin]] (Trin. 2, 2, 1c; vgl. in IV met. 4) bekannte Unterscheidung einer theoretischen Logik („logica docens“) und einer lebensweltlichen Praxis der Logik („logica utens“) verwiesen, die schon von [[Charles S. Peirce]] wieder aufgegriffen wurde (CP 2, 186). Die Begründung eines formalen logischen Systems setzt voraus, dass bereits informell ein logischer Apparat des Argumentierens vorhanden ist.((Nicholas Rescher: //Über Zirkularität und Regreß beim rationalen Geltungserweis//, in: //Rationalität, Wissenschaft und Praxis//, Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, 23-42, hier 25.)) Die formale Logik ist die ausgearbeitete Form der praktischen Argumentation, die ohne ein präsystematisches Verständnis der logischen Regeln nicht auskommt. In diesem Sinn ist auch die formale Logik zirkular, indem sie die logica utens inhaltlich abbildet. Es kommt nach Rescher auf die Argumentationsbasis, das gemeinsame Vorverständnis an, ob eine Zirkularität der Argumentation als schädlich betrachtet wird. Innerhalb des Systems der formalen Logik ist allerdings auch für Rescher unstreitig, dass ein Zirkel in einer Argumentation (in einem Beweis, einer Erklärung oder einer Definition) fehlerhaft ist. In Hinblick auf den unendlichen Regress weist Rescher darauf hin, dass man zwischen einer physikalischen unendlichen Ursachenkette und einem argumentativen Denkprozess unterscheiden muss. Die physikalische Ursachenkette ist ein durchaus denkbarer Vorgang, der nicht aus logischen Gründen falsch ist. Nur im Bereich des kognitiven Regresses bestehen die Grenzen der reinen Vernunft im Sinne Kants. Hier ergibt die Frage des Pragmatismus, ob entsprechend den angestrebten Zwecken die Begründung ausreichend ist. „Da wir //[[Totalität]]// nicht erreichen können, müssen wir bei der //[[Suffizienz]]// zur Ruhe kommen, und das ist am Ende eher eine praktische als eine rein theoretische Angelegenheit. Die letztendliche Lehre von der Nichtrealisierbarkeit eines unendlichen Regresses in kognitiven Dingen ist, daß der Primat der praktischen vor der theoretischen Vernunft ein unausweichlicher Aspekt der //[[conditio humana]]// ist.“((Nicholas Rescher: //Über Zirkularität und Regreß beim rationalen Geltungserweis//, in: //Rationalität, Wissenschaft und Praxis//, Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, 23-42, hier 39.)) [[Immanuel Kant]] hat in der //[[Kritik der reinen Vernunft]]// im Kapitel über die [[transzendentale Dialektik]] argumentiert, dass es keine Möglichkeit gebe, etwas Unbedingtes als wahr zu erweisen, sei es die Unsterblichkeit der Seele, die Unendlichkeit der Welt oder die Existenz Gottes. Das Problem des unendlichen Regresses behandelte Kant etwa in der [[Antinomie]] der reinen Vernunft über die Frage nach der Unendlichkeit der Welt (KrV B 364; [[http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/342.html|AA III 342]] ff). Eine Letztbegründung sei danach nicht möglich. Was Kant blieb, waren die [[Postulat]]e der reinen Vernunft. Für [[Friedrich Kambartel]] ist das Trilemma zwar gültig, setzt aber voraus, dass „Begründungen sich lediglich innerhalb der Welt der //Sätze// und //Worte// abspielen […].“ Eine solche Beschränkung sei aber immer dann nicht sachgerecht, wenn sich die Äußerungen auf [[Handeln|Handlungen]] und deren Möglichkeiten und Bedingungen beziehen. Das Münchhausen-Trilemma „übersieht, daß Begründungen aus dem Bereich der sprachlichen Ausdrücke hinausführen können und, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden sollen, auch hinausführen müssen in den pragmatisch-[[lebenswelt]]lichen Kontext, in welchem sprachliche und damit auch wissenschaftliche Handlungen erst ihren Sinn gewinnen“.((Friedrich Kambartel: //Bemerkungen zur Frage „Was ist und soll Philosophie?“//, in: [[Hermann Lübbe]] (Hrsg.): //Wozu Philosophie? Stellungnahmen eines Arbeitskreises//, De Gruyter, Berlin/New York 1978, S. 17–34, hier S. 19 f.)) Einige Kritik am Münchhausen-Trilemma kommt aus der sogenannten Schule der [[Transzendentalpragmatik]]er, welche sich auf [[Karl-Otto Apel]] beruft, der eine [[Letztbegründung]] für möglich hält. Apel hat auf den grundlegenden Einwand gegen das [[Skeptizismus|skeptische Argument]] verwiesen, dass jeder [[Zweifel]], der mit einem Absolutheitsanspruch vertreten wird, in einen „performativen Selbstwiderspruch“ führt.((Karl-Otto Apel: //Auseinandersetzungen in Erprobung des transzendentalpragmatischen Ansatzes.// Suhrkamp, Frankfurt 1998, S. 166–179.)) Auch [[Vittorio Hösle]] bezieht sich auf den absoluten Anspruch des Münchhausen-Trilemmas. Wenn dessen Aussage wahr ist, dann sei sie selbst eine [[apodiktische Aussage]]. Hösle reformuliert die Aussage des Münchhausen-Trilemmas zur Verdeutlichung als: „Es ist letztbegründet, daß es keine Letztbegründung gibt.“ Diese Behauptung ist für Hösle in sich widersprüchlich.((Vittorio Hösle: //Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie.// Dritte Auflage, Beck, München 1997, S. 153–155.)) Mit Blick auf seine [[Diskurs]]theorie kommentierte [[Jürgen Habermas]] das Münchhausen-Trilemma: „Dieses Trilemma hat freilich einen problematischen Stellenwert. Es ergibt sich nur unter der Voraussetzung eines //semantischen Begründungskonzepts//, das sich an der deduktiven Beziehung zwischen Sätzen orientiert und allein auf den Begriff der logischen Folgerung stützt. Diese deduktivistische Begründungsvorstellung ist offensichtlich zu selektiv für die Darstellung der pragmatischen Beziehungen zwischen argumentativen Sprechhandlungen: Induktions- und Universalisierungsgrundsätze werden als Argumentationsregeln nur eingeführt, um die logische Kluft in nicht-deduktiven Beziehungen zu überbrücken. Man wird deshalb für diese Brückenprinzipien selbst eine deduktive Begründung, wie sie im Münchhausentrilemma allein zugelassen wird, nicht erwarten dürfen.“((Jürgen Habermas: //Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln//, Suhrkamp, Frankfurt 1983, 90.)) In ähnlicher Weise verwies Micha H. Werner darauf, dass das Münchhausen-Trilemma auf eine Begründung als analytische Wahrheit ausgerichtet ist und nur gilt, weil eine analytische Begründung nicht ohne Voraussetzungen auskommt. „Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, ob es neben der Ableitung aus gegebenen Prämissen noch andere Begründungsmethoden gibt.“((Micha H. Werner: //Diskursethik als Maximenethik.// Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, S. 18.)) Als eine solche Alternative nennt Werner den widerlegenden Beweis, der sich schon in der [[Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]] bei [[Aristoteles]] findet (1005b ff.). Marcus Willaschek wendet gegen das Münchhausen-Trilemma ein, dass hier grundsätzlich eine falsche [[Rationalität]] zum Zuge komme. Im Sinne des [[Pragmatismus]] empfiehlt Willaschek, bei der Kette der Fragen einer Begründung jeweils zu prüfen, ob denn die jeweils zu erwartende Antwort auf die nächste Frage überhaupt noch geeignet ist, eine relevante Information zur Lösung der eigentlichen Problemstellung beizutragen. Im pragmatischen Sinn ist ein Weiterfragen immer dann nicht mehr sinnvoll, wenn die Frage für die eigentliche Problemstellung keine Relevanz mehr hat. Diese Begründung, das Fragen einzustellen, ist nicht mit dem Abbruch des Verfahrens nach Albert gleichzusetzen, sondern folgt einer pragmatischen Rationalität, die auf Problembewältigung ausgerichtet ist.((Marcus Willaschek: //Bedingtes Vertrauen. Auf dem Weg zu einer pragmatischen Transformation der Metaphysik//. In: Martin Hartmann, Jasper Liptow, Marcus Willaschek (Hrsg.): Die Gegenwart des Pragmatismus, Suhrkamp, Berlin 2013, 97-122)) [[Rupert Riedl]] bietet in der [[Evolutionäre Erkenntnistheorie|Evolutionären Erkenntnistheorie]] folgende Lösung an: Die [[Erkenntnistheorie]] ist mit dem Trilemma nicht in einer Sackgasse. „//Im Gegenteil, die Lehre von der Erkenntnis wird von unserem Standpunkt gesehen selbst zu einem Abschnitt des biologischen Erkenntnisprozesses und sie hat die Schraubenstruktur unseres Modells, wenn auch in Stücken, vorhergesehen. […] Der Kreislauf aus Erwartung und Erfahrung wäre ein Zirkel, würde nicht mit jeder Erfahrung auch die Erwartung verändert und umgekehrt. Und nicht minder muss die Rückverfolgung der Lernstrukturen in jeweils dort abgebrochen werden, wo diese ihren Gegenstand nicht mehr enthalten: etwa des Systems des Bewusstseins im Nervensystem, des der Reizleitung im Stofftransport, der der Vererbung in chemischen Reaktionen. Das Ende der methodischen Reduktion muss jeweils an jenen Stellen liegen, wo die [[Fulguration]] zu neuen Systemgesetzen führte.//“((Riedl, R. 1988. //Biologie der Erkenntnis: Die stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft//. München: dtv. S. 232. Mit „Schraubenstruktur unseres Modells“ ist gemeint, dass sich der Zirkelschluss nicht nue auf einer Ebene im Kreise dreht, sondern bei jeder „Umdrehung“ aus eine höhere Ebene führt.)) ===== Siehe auch ===== * [[Allklasse]] * [[Argumentum ad infinitum]] * [[Petitio principii]] * [[Dilemma]] * [[Kohärentismus]] ===== Literatur ===== * Hans Albert: //Traktat über kritische Vernunft.// Mohr Siebeck, Tübingen 1968. ===== Weblinks ===== * //[[http://www.schmidt-salomon.de/muench.htm|Das „Münchhausentrilemma“ oder: Ist es möglich, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen?]]// ===== Quellen ===== * [[https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchhausen-Trilemma|Wikipedia: Münchhausen-Trilemma]] {{tag>eristokratie:nokixel:tag:}}